Geschmack, Gesundheit und Nachhaltigkeit: Die Erfolgsfaktoren für pflanzenbasierte Produktalternativen. Das Münchner Startup Happy Ocean Foods stellt sich der Herausforderung und entwickelt eine Garnele auf 100 prozentiger Pflanzenbasis und legt dabei besonderen Wert auf Nährstoffe und eine kurze Zutatenliste. Pflanzliche Fischalternativen haben eine enorme Zukunftsperspektive. Wieso das so ist, was das junge Startup antreibt und wie eine pflanzenbasierte Garnele schmeckt, darüber sprach Roxanna im Interview mit Co-Founder Julian Hallet.
Ihr produziert Meeresfrüchte und Fisch aus Pflanzen – welches Problem möchtet ihr mit Happy Ocean Foods lösen?
33% aller Fischbestände gelten als bis an die biologische Grenze befischt, 60% sind bereits völlig erschöpft. Werden die Fischbestände nicht geschont, wird 2050 laut UNEP kein kommerzieller Fischfang mehr möglich sein. Darüber hinaus sind Fische zum Teil mit giftigen Substanzen wie Dioxin, Methyl-Quecksilber und organischen Chlorverbindungen belastet, da immer mehr Umweltgifte ins Meer gelangen. Die alternative Deckung der Nachfrage durch Aquakulturen hat schwerwiegende Umweltschäden wie z. B. die Verunreinigung der Meere oder Abholzung von Mangrovenwäldern zur Folge. Mit Happy Ocean Foods möchten wir eine bessere Alternative anbieten, um das ökologische Gleichgewicht in unseren Meeren zu bewahren.
Wie werden eure Produkte hergestellt?
Wir nutzen einen Mix aus pflanzlichen Proteinen kombiniert mit Algenextrakten, Gewürzen und natürlichen Aromen, um unser erstes Produkt, eine Happy Ocean Garnele herzustellen, die in Geschmack, Textur und Aussehen einer echten Garnele gleicht. Da der Herstellungsprozess geheim ist, können wir leider nur verraten, dass wir die genannten Zutaten in verschiedenen Stufen zu einer stabilen Masse vermischen, in Form pressen und herunterkühlen. Bei unseren Produkten ist uns besonders wichtig ein vergleichbares Nährstoffprofil wie das tierische Original anbieten zu können. Außerdem achten wir auf eine kurze und natürliche Zutatenliste. Da die Alge zu den am schnellsten wachsenden Organismen auf der Erde zählt, sind unsere Garnelen zudem sehr nachhaltig. Somit kombinieren wir die drei aus unserer Sicht wichtigsten Erfolgsfaktoren für pflanzenbasierte Produktalternativen: Geschmack, Gesundheit und Nachhaltigkeit.
"Mit Happy Ocean Foods möchten wir eine bessere Alternative anbieten, um das ökologische Gleichgewicht in unseren Meeren zu bewahren." - Julian Hallet
Welches war die größte Herausforderung bei der Herstellung pflanzlicher Meeresfrüchte?
Das Entwickeln eines überzeugenden Produkts mit einem ausgezeichneten Geschmackserlebnis und guten Nährwerten hat bisher sicherlich am meisten Zeit und Arbeit in Anspruch genommen. In der Produktentwicklung haben wir zahlreiche Experimente durchgeführt, etliche Iterationsschleifen gedreht und Kundenfeedback über Verkostungen eingesammelt, um ein Ergebnis mit Wow-Effekt zu erzielen. Mittlerweile haben wir geschmacklich und ernährungsphysiologisch große Fortschritte mit unserer Happy Ocean Garnele gemacht, sehen aber dennoch diverse Optimierungspotenziale die wir noch heben möchten.
Mit Happy Ocean Foods bietet ihr eine pflanzliche Alternative zu herkömmlichen Proteinquellen aus Fisch und Meeresfrüchten – Wie schätzt ihr die Zukunft diesbezüglich ein?
Der Markt für pflanzliche Alternativen zu Fisch und Meeresfrüchten steht noch ganz am Anfang und bietet daher riesiges Potenzial. Vor allem für Thunfisch werden momentan zahlreiche Alternativen entwickelt und gelaunched. Die Netflix Doku “Seaspiracy” hat diesen Trend noch einmal befeuert und das Umdenken der Konsument*innen deutlich beeinflusst. Daher steht uns ein ähnlicher Wandel wie im Bereich Fleisch bevor und die Fischalternativen werden es bald in den Mainstream schaffen. Wir sehen vor allem viel Potenzial in der Herkunft und Auswahl der Proteinquellen (bspw. Erbsenprotein) sowie der Freigabe von Novel Foods (bspw. Algenöl). Wünschenswert wäre ein möglichst lokaler Bezug sowie mehr Freiheit bei neuartigen Zutaten.
Werft mit uns einen Blick in die Zukunft: Wie sieht Ernährung in 2030 aus?
Alternative Proteinquellen, also Produkte auf Basis von Pflanzen, Mikroorganismen und Stammzellen, werden immer besser und günstiger, wodurch sich deren Marktanteil sukzessive erhöhen wird. Hierfür lohnt sich ein Blick auf den kürzlich erschienen Report “Food for Thought: The Protein Transformation” der Boston Consulting Group und Blue Horizon. Dieser zeigt auf, dass sich der Konsum von alternativen Proteinen in den nächsten 10 Jahren verfünffachen wird. Während alternative Proteine im vergangenen Jahr gerade einmal 2 % des Marktes für tierische Proteine ausgemacht haben, werden es 2030 voraussichtlich bereits 10 % sein. Bis 2035 könnten es sogar bereits bis zu 22 % sein. Wir haben es also keinesfalls mit einem Trend zu tun der nur Veganer oder Vegetarierinnen betrifft, sondern befinden uns bereits in einer historischen Wende, die den Markt für immer verändern wird.
Welche Rolle spielen Ernährungsexpert*innen für diese Zukunft?
Ein starkes Research & Development-Team mit Expertise in den Bereichen Lebensmitteltechnologie, Ernährungswissenschaften oder auch Biotechnologie bildet das Fundament einer innovativen Produktentwicklung. Diese ist wiederum entscheidend für den langfristigen Unternehmenserfolg, da dieser signifikant von neuartigen Produkten, die den Status Quo challengen und verbessern, beeinflusst wird. Um sich als junges Startup am Markt zu behaupten und einen Teil zur Transformation der Lebensmittelbranche beizutragen, sind Ernährungsexpert*innen unabdingbar. Ohne unserer Biomedizinerin Christina Hahn (R&D Scientist) und unserer Ernährungswissenschaftlerin Viktoria V. Beerfelde (Product Manager) wären wir gar nicht erst in der Lage gewesen unsere Happy Ocean Garnele zu entwickeln.
Welches Feedback / Rückfragen erhaltet ihr von Konsument*innen? Wo herrscht Aufklärungsbedarf?
Da wir noch nicht auf dem Markt sind, bekommen wir wohl am häufigsten die Rückfrage wann und wo es unsere Garnelen zu kaufen gibt. Daher für alle Leser*innen: wir planen damit im Herbst diesen Jahres national in der Gastronomie verfügbar zu sein und im Frühjahr 2022 im Einzelhandel zu launchen. Darüber hinaus erkundigen sich Konsument*innen oft dazu, ob unsere Happy Ocean Garnele wirklich wie das Original schmeckt und welche Zutaten enthalten sind. Unsere Verkostungen haben gezeigt, dass vor allem die Konsistenz und Optik sehr nah an eine tierische Garnele herankommen. Der Geschmack geht jedoch eher in Richtung fischig/meerig, wodurch wir hier noch etwas Optimierungspotential sehen.
Welches Lebensmittel braucht unbedingt noch ein pflanzliches Äquivalent?
Lachsfilet! Hier haben wir bisher noch kein Produkt gefunden, welches mit vergleichbaren Nährwerten, einer kurzen Zutatenliste und gutem Geschmack überzeugen konnte. Dabei ist der ökologische Fußabdruck mit 2,5kg CO2-Emissionen pro Kilo Lachs aus Aquakulturen vergleichbar mit dem von Geflügel. Aber so viel können wir bereits verraten: wir werden uns dieser Herausforderung zeitnah annehmen! ;)
Wer mehr über Happy Ocean Food, das Team und den Hintergrund der pflanzenbasierten Garnele erfahren möchte, findet jede Menge weitere Info unter www.happyoceanfoods.com.
Dieses Interview wurde geführt von Roxanna Rokosa
Head of Digital Communication bei NUTRITION HUB und angehende Ernährungswissenschaftlerin, die seit mehr als zehn Jahren auf Fleisch verzichtet.