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PD Dr. rer. medic. Kristina Norman - Leiterin der AG "Ernährung und Körperzusammensetzung"


Selfie von zwei jungen Frauen

Lina: Frau Dr. Norman, Sie sind Leiterin der AG "Ernährung und Körperzusammensetzung" an der Charité in Berlin. Wie kamen Sie auf die Idee Ernährungswissenschaften zu studieren?

Frau Dr. Norman: Als ich nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr in Schottland absolviert habe, hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ich habe an eine Pflegeeinrichtung gearbeitet, die Patienten mit neurologische Erkrankungen betreute, wie beispielsweise MS und ALS. Während einer Nachtschicht bin ich auf einen Artikel gestoßen, der sich mit dem Einfluss von Milch auf den Hirnstoffwechsel beschäftigt hat, und warum Milch angeblich wach hält und nicht schläfrig macht. Bis dahin waren meine Aufgaben eher in der Pflege und es war für mich sehr spannend zu verstehen, welchen komplexen Einfluss die Ernährung bzw. einzelne Lebensmittel haben. Das Interesse in mir wuchs, weitere Bereiche und Prozesse, auf welche die Ernährung Einfluss nimmt, zu entdecken. Allgemein habe ich mich aber schon früh für Ernährung interessiert, ich bin z.B. mit 15 Vegetarierin geworden.

Wo haben Sie Ernährungswissenschaften studiert? Hat Ihnen das Studium gefallen? Wenn ja, was hat Ihnen gefallen, was eher nicht? Würden Sie es nochmal studieren?

Ich habe in Wien studiert. Das Studium machte inhaltlich einen interessanten, interdisziplinären Eindruck, jedoch scheiterte es etwas an der Umsetzung. Das Studium war damals als Studienversuch sehr unorganisiert, es fehlte die Struktur und es entstand der Eindruck, es fühle sich niemand für uns damalige StudentInnen verantwortlich. Auch die Begeisterung fürs Fach hat leider an vielen Ecken gefehlt. Ich persönlich bin der Meinung, dass es zu den Aufgaben der Dozierenden gehört, Studierende auch im richtigen Maß zu motivieren und finde, es könnte durchaus ein gesundes Selbstbewusstsein geweckt werden. Unter denselben Bedingungen würde ich das Fach nicht nochmal studieren.

Wo arbeiten Sie und wie sieht ein normaler Arbeitstag/ Arbeitswoche für Sie aus?

Ich bin seit 3 Jahren die Leiterin der AG Ernährung und Körperzusammensetzung in der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité. Vorher war ich 10 Jahre lang an der Klinik für Gastroenterologie an der Charité. Mein Alltag ist sehr abwechslungsreich. Er besteht aus Vorlesungen und Lehre, Konferenzen, Betreuung von Doktoranden und Studierende sowie natürlich die ständige Suche nach neuen Fördergeldern. Meine eigenen Forschungsinteressen spielen natürlich eine wichtige Rolle. Das projektbezogene wissenschaftliche Arbeiten ist ein gutes Beispiel für das Abwechslungsreiche. Von der Ausformulierung der Fragestellung, der formalen Anträge und Protokolle, über Umsetzung und Durchführung der Studie bis zur Auswertung und Publikation der Ergebnisse. Dabei gefällt mir die Möglichkeit, interdisziplinär zu arbeiten, im Projekt Studierende zu begleiten und natürlich der eigene Wissenszuwachs. Die Möglichkeit, mit PatientInnen zu arbeiten, ist sehr lehrreich und man ist mit seiner Forschung eben „nah am Mann“. Außerdem bin ich über meine Tätigkeit in der ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism) vernetzt und habe mehrere weitere spannende Aufgaben wie die Gutachtertätigkeit und Mitherausgeberschaft eines wissenschaftlichen Journals und die Organisation der europäischen Kongresse für Ernährungsmedizin.

Was ist das Beste an diesem Beruf? Würden Sie sich wieder für diesen Beruf entscheiden?

Das Beste ist sicherlich die Abwechslung und die Weiterbildungsmöglichkeiten innerhalb des Berufs. Als Referentin oder auch nur Besucherin eines Kongresses ist man oft am Puls der Zeit und kann die neuesten Forschungsergebnisse der Kollegen verfolgen. Das inspiriert mich natürlich und ich kann das neu Gelernte in neuen Projekten anwenden. Das empfinde ich als große Bereicherung. Auch die Anbindung der Klinik ermöglicht einen schnellen Austausch von Erkenntnissen aus der Klinik in die Wissenschaft und andersherum.

Sie sind promoviert und habilitiert. War bereits im Studium klar, dass Sie promovieren wollen? Wann und aus welchen Gründen haben Sie sich dazu entschlossen?

Ich wollte schon früh promovieren, einerseits sicherlich, weil mir (Dazu-)Lernen immer ein Bedürfnis ist, andererseits war mir damals nicht ansatzweise klar, was ich mit dem Studium so praktisch im Sinne eines Berufs anfangen konnte. Für die Berufswelt fühlte ich mich nicht vorbereitet, und dass obwohl ich neben meinem Studium immer gearbeitet hatte. Ich wollte mich unbedingt weiter spezialisieren, um meine Nische zu finden. Ich hatte Glück und fand eine halbe Stelle mit Möglichkeit zur Promotion in einer sehr ernährungsmedizinisch versierten Abteilung an der Charite. Meine Promotion befasste sich mit dem Einfluss einer 3 monatigen Trinknahrung auf Muskelfunktion und Lebensqualität bei mangelernährten Patienten mit nicht-neoplastischen gastroenterologischen Erkrankungen. Meine Promotion ebnete den Weg für die wissenschaftliche Arbeit, und diese für die Habilitation, durch die ich eben die Möglichkeit erhielt, Promovenden als Doktormutter zu begleiten.

Was empfehlen Sie Berufseinsteigern, die in der klinischen Forschung arbeiten wollen?

Es sollten unbedingt während des Studiums unterschiedliche Praktika absolviert werden, um Einblicke in Tätigkeitsfelder zu erhalten, aber auch um sich ein Netzwerk aufzubauen. Besuche von Kongressen oder Tagungen, bei denen man die Möglichkeit hat, mit KollegInnen ins Gespräch zu kommen. Da empfiehlt es sich nach Fachgesellschaften Ausschau zu halten, wie der DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin), die sich intensiv mit Fragestellungen rund um die klinische Ernährungsmedizin befasst. Will man sich als niedergelassene Ernährungswissenschaftlerin vernetzen, dann ist der VDOe (Berufsverband der ÖkotrophologInnen) die richtige Adresse. Aufgrund des meist knappen Budgets der Kliniken muss man damit rechnen, dass man neben der Wissenschaft auch klinische Bereiche mit viel Patientenkontakt abdecken wird, wie z.B. Therapie und Beratung, Screening und Monitoring des Ernährungszustandes. Dafür muss man offen sein. Was die Work-Life-Balance betrifft sollte einem auch klar sein, dass man viel arbeiten muss, da das Feld der klinischen ErnährungswissenschaftlerInnen relativ neu ist und keineswegs strukturiert oder einheitlich. Man sollte daher immer ein Ziel vor Augen haben, und sich Expertise aneignen. Es wird viel gefordert, man muss aber auch drauf achten gefördert zu werden.

Was halten Sie für die größten Hürden in unserem Fachbereich?

Nach wie vor gibt es kein Berufsbild des/r Ernährungswissenschaftlers/in, weshalb wir uns unsere eigene Nische suchen müssen. Dies kann jedoch auch von Vorteil sein. Wichtig ist, dass sich KollegInnen gegenseitig unterstützen und sich nicht als Konkurrenz verstehen. Nur dann kommt der einzelne und damit auch die klinische Ernährungswissenschaft weiter.

Vielen Dank Frau Dr. Norman für die interessanten Einblicke in Ihre Arbeit!

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