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Von der Soldatin zur Fastenexpertin: Laura Junge über Wissenschaftskommunikation und Fasten

Das Bewusstsein für Ernährung steigt, bei vielen Verbraucher*innen ist enorm fundiertes Ernährungswissen vorhanden. Der Trendreport Ernährung 2021, für den NUTRITION HUB 75 Expertinnen befragt hat, zeigt eindeutig: Was das Essen angeht, führt die Corona-Pandemie zu einer Zunahme widersprüchlichen Verhaltens. Auf der einen Seite neigen viele Konsument*innen aufgrund der psychisch belastenden Situation dazu, zu viel zu essen oder greifen zu “Seelennahrung”. Auf der anderen Seite interessieren sich viele Menschen vermehrt für gesunde Ernährung und befassen sich ganz bewusst mit dem, was sie essen und ob es ihnen gut tut. Welche Rolle unsere Gedanken, Selbstliebe und Achtsamkeit dabei spielen, darüber haben wir mit Laura Junge, medizinische Ernährungswissenschaftlerin und ärztlich geprüfte Fastenleiterin, gesprochen.

Du bist seit über 7 Jahren Content Creator und in den sozialen Netzwerken unterwegs. Über deinen Instagram Account erreichst du ca. 22 Tausend Menschen und begeistert diese wissenschaftlich fundiert für das Thema Achtsamkeit, Fasten und pflanzenbasierte Ernährung. Was beschäftigt deine Follower zum Thema Ernährung?

Ich kann selbst kaum glauben wie lange ich schon auf Instagram unterwegs bin und wie viele Menschen meinen Weg seit Jahren begleiten. Über Jahre sind aus fremden Abonnent*innen eine richtige Community geworden. Da mir ein recht persönlicher und authentischer Account wichtig ist, schwanken auch immer wieder die Schwerpunkt meiner Themen. Im Austausch mit der Community kann man deutlich erkennen, dass gerade Themen wie Emotional Eating und Stress-Essen viele Abonnent*innen beschäftigt - mich eingeschlossen (lacht). Die Frage nach “gesunden und schnellen” Rezepten kommt dabei immer wieder auf. Der Alltag ist durch die Pandemie noch stressiger geworden und viele Menschen suchen Halt in der Ernährung und dem Ernährungsverhalten. Oftmals leider mit sehr ungesunden Gewohnheiten, die sich über die letzten Monate und Jahre eingeschlichen haben. Jeder nutzt andere Mechanismen, um mit dem erhöhten Stressempfinden klarzukommen.


Du bist selbst Fastenleiterin und bist durch das Fasten in Kombination mit einer Ernährungsumstellung eigene Krankheiten losgeworden. Was macht das Fasten mit unserem Geist, also psychologisch und was passiert physiologisch?

Ein sehr spannendes Thema! Physiologisch wissen wir heutzutage eine ganze Menge über die Stoffwechselanpassungen während einer präventiven Heilfastenzeit. Was vielleicht im ersten Moment altbacken und langweilig klingt, ist in Wirklichkeit total spannend. Bei einer Nahrungskarenz von ca. 12-14 Stunden wird zum einen die “Autophagie” induziert und hochreguliert. Dieser biochemische Nobelpreis prämierte Recyclingmechanismus der Zelle sorgt dafür, dass fehlerhafte Proteine, Bakterien und Viren und weitere pathogene Substanzen in ihre Einzelteile umhüllt, zerlegt und die Einzelteile wiederverwendet werden. Während der Fastenzeit stehen also alle Weichen Richtung “Reparatur” und “Ausscheidung”. Körperlich ein richtiger Reset, wenn es also um die Zellgesundheit geht. Generell nutzt der Körper durch den “metabolischen Switch” mit länge der Fastenzeit das Fett als primäre Energiequelle. Es ist mehr als spannend, dass sogar das Gehirn als echter “Zuckerjjunkie” die aus dem Fett generierten Ketonkörper als Energiequelle nutzt.


Neben den physiologischen Veränderungen wird noch oft die mentale Komponente vernachlässigt. Fasten ist wie eine Art “Mystery Box” bei welcher man nie weiß, was mit einem passiert. Es ist faszinierend, dass nach mehreren Tagen ohne feste Nahrung seelische Verletzungen die schon lange zurückliegen, an die Oberfläche gelangen können. Fasten wirkt aber nicht nur auf der seelische Ebene, sondern auch auf die Stimmung, um genau zu sein sogar stimmungsaufhellend. Grund dafür ist der veränderte Serotoninstoffwechsel. Für die Nerds unter euch, die es genauer wissen wollen: Ein kurzzeitiger Verzicht auf Nahrung führt zu einer erhöhten Tryptophanverfügbarkeit (Aminosäure) im Gehirn und sorgt damit für eine gesteigerte Serotoninsynthese und -freisetzung. Fastet man mehrere Tage sinkt die Anzahl der Serotonintransporter. Dadurch steigt die Konzentration der Verweildauer des Serotonins im extrazellulären Raum. Das führt zu einer verstärkten Interaktion des Serotonins mit den Rezeptoren - Du fühlst Dich euphorisch, glücklich und unbesiegbar. Garantieren kann man das Fastenhigh leider nicht.


Die Darm-Hirnachse wird immer öfter in Zusammenhang mit der Ernährung und dem Wohlbefinden In Zusammenhang gebracht. Welchen Einfluss hat das Fasten auf das Mikrobiom im Darm?

Durch eine Fastenzeit kann der Darm entlastet werden. Dadurch kann sich auch die Darmschleimhaut erholen und betroffene Personen haben die Chance sich von Unverträglichkeitsreaktionen zu erholen. Nach der Fastenzeit ist dann entscheidend wie die Aufbautage und die weitere Ernährung auf lange Sicht gestaltet wird. Wenn nach den Aufbautagen direkt und regelmäßig fermentierte Lebensmittel eingebaut werden, kann von den gesundheitsförderlichen Wirkungen profitiert werden. Aber nicht nur das, das Fasten boostert quasi auch die Tätigkeit des Mikrobioms. Darmbakterien haben laut neuester Studien ihre Aktivität verändert. Sie haben aus den wieder ankommenden Nahrungsfasern eine erhöhte Anzahl kurzkettiger Fettsäuren als vorher gebildet. Diese sind maßgeblich an der Entzündungshemmung und der Senkung des Blutdrucks beteiligt. Es geht also nicht nur um die Bakterien, sondern auch um das, was sie produzieren. Dieses kann demnach positiv durch das Fasten beeinflusst werden. Einziger Haken, die Wirkung auf das Mikrobiom hält nicht unendlich. Nach ca. 6-12 Monaten sollte man demnach erneut Heilfasten.


Du bietest einen ganz exklusiven online Fastenkurs an, bei dem du die Fastenden ganz persönlich betreust. Funktioniert das denn gut, einen ausschließliche Betreuung über online Kanäle?

Genau genommen ist es nicht nur ein Online Fastenkurs, sondern ein ganzheitliches Mentoring mit mehreren Bausteinen: Fasten, gesunde pflanzliche Ernährung, Bewegung und Mindset. Viele glauben, dass es oft die Ernährung ist, die bis zum Ultimo perfektioniert werden muss. Dabei wird vergessen was für einen starken Einfluss sowohl die regelmäßige Bewegung, das Trinkverhalten als auch das Mindset und Stressmanagement auf die Gesundheit haben. Ich möchte meinen Mentees also diesen Startschuss in einen nachhaltig gesunden und balancierten Lebensstil online ermöglichen. Wer könnte das besser als jemand, der genau den Weg selbst einst schon gegangen ist? Ich weiß genau wie sich die Mentees fühlen und was sie brauchen. Zusätzlich bietet das Mentoring eine Alternative zu Fastenkliniken, wobei man hier ganz klar unterscheiden muss, dass ich kein Fasten als Therapie - also für Erkrankte - betreue. Personen mit Erkrankungen sind wesentlich besser medizinisch betreut in einer Fastenklinik ausgehoben. Mein Mentoring Programm “Modern Fasting, Nutrition & Lifestyle Upgrade” funktioniert mehr als gut: Die Bewertungen und das Feedback sprechen für sich. Je motivierter die Mentees sind, desto effektiver ist das Programm.

Obwohl viele das Wissen haben was gesund/ungesund ist, handeln Sie im Alltag anders. Woran liegt das?

Da auch ich hin und wieder ungünstige Ernährungs-Entscheidungen treffe, kann ich persönlich davon berichten, dass Stress einen großen Einfluss auf meine täglichen Entscheidungen hat. Besonders das “Emotional Eating” ist sowohl bei den Mentees, als auch in meiner Instagram-Community immer wieder Thema. Ist das Stresspensum zu hoch, läuft der rationale Verstand auf Sparflamme.


Bevor ich mich für das Studium der Medizinischen Ernährungswissenschaft entschieden habe, war ich Zeitsoldatin bei der Bundeswehr. Dort war ich im Stabsdienst im Personalbereich tätig. In meiner Arbeit hat mir der “higher purpose” gefehlt, daher haben mich meine täglichen Aufgaben nicht erfüllt. Zusätzlich habe ich mich in der strengen Hierarchie nicht wohlgefühlt, auch wenn es eine wahnsinnig gute Erfahrung war. Meine persönlichen Stärken wie Kreativität und Empathie konnte ich dort nicht einsetzen und habe gemerkt, dass mir diese Bereiche beruflich extrem wichtig sind. Ich konnte mich während dieser Zeit nicht so gut ernähren und schaffte es trotzdem nicht einen Ausgleich zu meinen fehlenden Needs zu finden. Generell war es eine großartige und wirklich einzigartige Erfahrung, während der ich wahnsinnig viel über mich und meine Bedürfnisse gelernt habe. Ich würde es immer wieder machen, auch wenn eine militärische Grundausbildung nicht zu meinen liebsten Herausforderungen gehört hat, die mentale Stärke die ich dadurch gewonnen habe, war immens.


Um zur Frage zurückzukommen: Ein gesunder Lebensstil beginnt mit einem achtsamen Lebensstil und dem Beachten der eigenen mentalen Bedürfnisse.

Was treibt dich tagtäglich an, Wissenschaft instagram-tauglich zu übersetzen?

Instagram ist tatsächlich eine Achterbahn der Gefühle (lacht). Oftmals treibt mich tatsächlich das positive Feedback der Menschen aus meiner Community an. Wenn ich Nachrichten bekomme, dass Menschen ihre Haut durch meinen Inhalt verbessern konnten oder sie durch mich gefastet haben, dann bringt das mein Herz zum Klopfen. Ich finde es unglaublich wichtig, sinnhafte Inhalte auf dieser Plattform zielgruppengerecht zu transportieren. Wenn dann noch Fachkolleg*innen meine Postings teilen, bin ich happy: Die Kunst besteht nämlich darin komplexe wissenschaftliche Fakten für den Laien verständlich und spielerisch aufzubereiten. Sprich: jeden da abzuholen, wo er steht.

Wenn es nach Dir ginge, wie sieht die Ernährungspyramide der Zukunft aus?

Viele Ideen habe ich im neuen Trendreport 2022 einfließen lassen - ich bin schon super gespannt, wenn dieser am 20. Januar 2022 veröffentlicht wird! Generell steht für mich eine pflanzliche Ernährung deutlich im Fokus. Die vegane Ernährungspyramide von Niko Rittenau finde ich schon wirklich gut. Wenn dann noch das Thema Fasten als fester Bestandteil mit eingebaut würde, wäre ich begeistert. Mein Traum wären fest zwei ein präventive Heilfastenzeiten und optional regelmäßige Intervallfasten-Tage als Teil der offiziellen Ernährungsempfehlungen. Da nicht jeder für ein Fasten geeignet ist, könnte man durch das Intervallfasten alle abholen.

 

Die medizinische Ernährungswissenschaftlerin und ärztlich geprüfte Fastenleiterin Laura Junge ermutigt mit einer extra Portion Humor, Leichtigkeit und Authentizität sowie mit fundierten Inhalten, Menschen den Weg einer Ernährungsumstellung einzuschlagen. Laura ist Fastenexpertin beim Startup Kale&Me und bietet selbst ein eigenes Programm “Modern Fasting, Nutrition & Lifestyle Upgrade” an. Das nächste Programm startet Ende Januar. Zur Warteliste geht es hier: http://eepurl.com/hxkhn5.

Dieses Interview wurde geführt von Bastienne Neumann.



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