Das Gründungsteam des Startups MillionFriends stellt eine App zur Dokumentation von COVID-19-Symptomen. Wir haben mit Gründer Dominik Burziwoda darüber gesprochen.
Bei MillionFriends geht es um Prävention und gesunde Ernährung. Jetzt habt ihr eine App programmiert, die die Symptome einer COVID-19-Erkrankung dokumentieren kann. Wie kam es dazu?
Samstag vor einer Woche wurde ich selbst auf das SARS-CoV-2 positiv getestet und kam in Quarantäne. Das Gesundheitsamt machte mir die Vorgabe ein Symptom- und Fiebertagebuch zu führen. Ich sah schon vor mir, wie bergeweise Zettel in das Amt flattern, alle gefüllt mit uneinheitlichen Daten. Bei Fieber ist es sehr wichtig zu erfassen, wann und wo gemessen wurde. Die Temperaturen unterscheiden sich teilweise erheblich, je nachdem ob unter dem Arm, im Mund oder im Po gemessen wird. Eigentlich nutzen wir unsere App im Rahmen unseres Programms für personalisierte Ernährung. Dabei tragen die Nutzer für zwei Wochen einen Glukosesensor und erfassen Mahlzeiten, Aktivität, Schlaf, Medikation und Symptome in unserer App. Daraus erstellen wir personalisierte Empfehlungen, die den Blutzucker stabil halten. Dies wiederum ist vorteilhaft in der Therapie verschiedener Erkrankungen, beispielsweise Diabetes oder Migräne, funktioniert aber auch für das Gewichtsmanagement sehr gut. Seit kurzem testen wir auch eine von uns entwickelte App als digitalen Ernährungs-Tracker. Ich fragte unseren CTO, ob wir die App nicht bereits jetzt für das Tracking von Corona-Symptomen bereitstellen könnten. Innerhalb einer Woche hat unser Entwicklerteam alles umgebaut und seit diesem Samstag ist alles live und verfügbar.
Wer hat daran mitgearbeitet und ist die App wissenschaftlich fundiert?
Unser Team besteht aus Software-EntwicklerInnen und Ärzten, die die Erfassung der Symptome konzipiert haben. Unser Startup wurde aus dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der Universität zu Lübeck gegründet. Wir arbeiten heute noch eng mit beiden Organisationen zusammen und stehen in engem fachlichem Austausch. Die App ist allerdings kein Diagnose- oder Behandlungstool, sondern dient dazu Symptome-, Fieber- und Risikofaktoren standardisiert zu erfassen. Patienten können die erfassten Informationen exportieren und als xls-Datei mit Behörden, Ärzten und Forschungseinrichtungen teilen. Unser Ziel ist es Ärzte und Behörden zu entlasten, indem wir Zeit für telefonische Befragungen oder die Auswertung handschriftlicher Tagebücher ersparen.
Für wen ist die App gedacht? Wie kann man sie nutzen?
Der Service kann von allen Patienten genutzt werden, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Die App kann einfach über den App Store für das iPhone oder auch über unsere Website heruntergeladen und installiert werden. Nach der Erstellung des Nutzerkontos wird der User direkt gefragt, ob er den COVID-19-Guide aktivieren möchte. Dieser führt die Patienten dann durch einen Fragebogen. Alle Informationen zur Funktionsweise haben wir auch unter www.millionfriends.de/covid19 bereitgestellt. Das Ganze ist ein reines pro-bono Projekt und wir stellen das Programm kostenfrei zur Verfügung. Deshalb machen wir auch keine Werbung dafür.
Was macht MillionFriends und wie kam die Idee zum Startup?
Wir haben eigentlich ein personalisiertes Ernährungsprogramm. In den vergangenen Jahren haben hochrangige wissenschaftliche Publikationen gezeigt, dass die Blutzuckerantwort nach dem Essen, die postprandiale Blutzuckerantwort, vollständig individuell ist. Viele Menschen kennen das Konzept des glykämischen Index. Das sind Durchschnittswerte, die eigentlich für jeden Menschen individuell ermittelt werden müssten. Das machen wir mit MillionFriends. Die Stabilisierung des Blutzuckers ist entscheidend für das Verhindern von Heißhungerattacken, metabolischen Entzündungen und der Hormonregulierung. Blutzuckerschwankungen haben einen Einfluss auf die Insulinausschüttung. Diesem Hormon kommt eine entscheidende Rolle zu, und zwar nicht nur bei der Entstehung von Diabetes, sondern auch beim Auftreten von Migräneattacken. Aktuell wird MillionFriends im Lifestyle-Bereich als Gewichtsabnahmeprogramm angeboten. Ab Sommer werden wir ein Therapieprogramm auf dem Markt haben. Das Ganze wird dann von Ärzten verschrieben. Interessierte Ärzte können sich bereits heute registrieren und erhalten aktuelle Studien und Informationen zu dem Therapieprogramm.
Welche Rolle spielt Wissenschaft und Forschung bei MillionFriends?
Medizin funktioniert nicht ohne Wissenschaft und das gilt auch für den digitalen Bereich. Wir führen selbst zahlreiche Studien durch und arbeiten eng mit Universitäten zusammen. Unsere Therapieprogramme haben den Anspruch von gesetzlichen Krankenkassen erstattet zu werden. Dafür sind Wirksamkeitsnachweise aus randomisierten klinischen Studien erforderlich.
Wie habt ihr euch als Team mit der aktuellen Corona-Situation organisiert? Arbeitet ihr von zu Hause?
Wir arbeiten alle von zu Hause, um die Anzahl der Kontakte auf das mindeste zu beschränken. Nur unser CTO ist im Büro und kümmert sich dort auch um die Post und den Versand unserer Bestellungen (danke Christoph!). Ich selber bin noch in Quarantäne und hoffe diese Woche wieder rauszukommen. Dann hoffentlich auch mit Immunität gegen die Erkrankung. Wir nutzen ehrlicherweise keine zusätzlichen Tools. Wir machen weiter Telefonkonferenzen, nutzen Teams und WhatsApp für die Kommunikation. Bei uns in der Firma hat jeder einen Laptop, wir hatten nie Desktop PCs. Ich bin ohnehin ein großer Freund von Home-Office. Ich mag zwar das Büro und den Austausch, aber oft brauche ich auch Ruhe und die habe ich im Home-Office am ehesten. Außerdem mag ich es an unterschiedlichen Orten zu arbeiten. Bei schönem Wetter setze ich mich mit dem Laptop auf die Terrasse.
Hast du Hacks für Teams, die von zu Hause arbeiten?
Vor allem ist es in der aktuellen Zeit wichtig nicht den Fokus zu verlieren und sich um das Tagesgeschäft zu kümmern. Als Unternehmer darf man bei der ganzen Nachrichtenflut um Corona nicht die Gesamtstrategie aus den Augen verlieren. Es ist wichtig, dass man ein gutes Team hat, bei dem alle auch von zu Hause aus mitziehen. Diese Krise ist so hart, weil es nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern auch eine Gesundheits- und Gesellschaftskrise ist. Jeder Mensch ist jetzt gefragt stark zu sein und einen Beitrag zu leisten. Vielen Dank an euch für das Interview. Bleibt gesund!
Mehr über das Startup MillionFriends gibt es auf der Website, Instagram und Facebook.
Interview von Dr. Simone K. Frey