Interview geführt von Lia
Verena, du bist Ernährungswissenschaftlerin und arbeitest inzwischen im PR-Bereich. Wie kam es dazu?
Kommunikation und Ernährung sind meine beiden Leidenschaften – das war schon in der Schule so. Ich hatte Deutsch und Hauswirtschaftsunterricht als Abiturfächer und war in beiden immer super wissbegierig. Konsequenterweise arbeitete ich nach meinem Schulabschluss, um die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn zu überbrücken, beim Radio, in einer Pommesbude und in einer Tankstelle. Auch wieder eine Kombination aus beidem, auch wenn das beim Bewerbungsgespräch zur Diätassistentin etwas für Stirnrunzeln sorgte.
Nach der dreijährigen Ausbildung zur staatlich anerkannten Diätassistentin war mein Wissensdurst immer noch nicht gestillt, und ich schrieb mich für das Oecotrophologie-Studium ein. Beides für mich persönlich eine tolle Kombination, da man auf unterschiedliche Arten fundiert lernen kann. Für das Bachelorpraktikum ging es für mich von NRW nach München, und ich arbeitete im Redaktionsteam einer Bestsellerautorin im Food-Bereich.
Aus dem Praktikum wurde dank meiner abgeschlossenen Ausbildung schnell eine Festanstellung, und die Bachelorarbeit meisterte ich an freien Tagen und am Wochenende. Als ich endlich den Abschluss in der Tasche hatte, änderte sich mein Leben gar nicht. Im Gegensatz zu dem, was ich von meinen Kommilitonen mitbekam. Über Ernährung schreiben, Rezepte entwickeln und Themen recherchieren gehörte genauso wie Deadlines einhalten, Korrekturen einpflegen und Leserfragen beantworten ja schon länger zu meinem Alltag.
Ich liebe diese Tätigkeiten, aber mir fehlte noch etwas, und ich wollte mich verändern. Als ich zufällig eine Stellenausschreibung einer PR-Agentur las, ließ mich das irgendwie nicht mehr los, obwohl ich gar nicht genau wusste, was man da so macht. Zu meinem Freundeskreis gehörten damals schon viele Kreative, die mir immer wieder bestätigten, dass der Job genau das Richtige für mich wäre. Ich lobte ein Champagnerfrühstück aus, falls ich genommen werden würde, da ich mir sicher war, durch meine Warterei die Chancen auf die Stelle verspielt zu haben. Was soll ich sagen, die Korken haben geknallt, und seit mehr als fünf Jahren bin ich der Food-PR und kommunikation.pur treu.
Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?
Die Dynamik – sowohl die Kommunikations- als auch die Ernährungsbranche sind immer im Wandel. Ob neue Produkte, wissenschaftliche Erkenntnisse oder ein neuer Social-Media-Kanal – es ist immer etwas los, und daher bleibt es spannend und abwechslungsreich für mich. Auch mit den Menschen in beiden Branchen komme ich sehr gut zurecht, sie haben das Herz am rechten Fleck und sind meist genauso neugierig und flexibel wie ich. Ob Foodblogger oder Geschäftsführer einer Knödelfabrik, alle brennen für das Thema Lebensmittel, und in ihrer Gesellschaft kann sehr viel lernen und auch mein Wissen weitergeben.
Warum hast du Ernährungswissenschaften studiert? Welche Passion hegst du für unser Fachgebiet?
In der 12. Klasse lag im Hauswirtschaftsunterricht ein Arbeitsblatt vor mir, auf dem ein Kind aus der dritten Welt abgebildet war, darunter stand der Satz „Wasser ist Leben“. Ich habe in dem Moment die Dimension von Ernährung begriffen – vom Lebenselixier bis zum Luxusgut, vom Frühstücksei bis zur parenteralen Ernährung, vom Wirtschaftsfaktor bis zum Ritual. Es hat mich gefesselt und nie wieder losgelassen. Frau Müller, meine Hauswirtschaftslehrerin, hat mich mit ihrem unglaublichen praktischen und theoretischen Wissen sehr geprägt, und es fasziniert mich jeden Tag aufs Neue, wie sehr Ernährung die gesamte Menschheit beeinflusst. Heute ist Social Media mein liebstes Vehikel, um diese Passion auszuleben, weil sich die Dynamik und die Vielschichtigkeit auch dort wiederfinden. Letztendlich hat alles mit Menschen zu tun, und die sind ja wohl die größte Faszination!
Wo hast du studiert, was hat dir am Studium gefallen? Was nicht?
An der Fachhochschule Münster durfte ich eine wunderbare Studienzeit erleben. Die Professoren waren mit vollem Einsatz dabei, und auch mein zweites Herzensthema, Kommunikation, hatte dort im Lehrplan einen großen Stellenwert. Die Vielfältigkeit des Studiengangs Oecotrophologie war eine große Herausforderung für mich: Von Biochemie bis Psychologie ist man in vielen Disziplinen gefordert, im Nachhinein eine sehr gute Vorbereitung auf das echte Leben, das ja auch nicht eindimensional verläuft.
Was sind deiner Meinung nach die größten Chancen und Herausforderungen für uns als EW aktuell?
Wir müssen unbedingt sichtbarer werden und zeigen, was wir können, und zwar mit Wissen, Freude und ohne Strenge. Wenn ich auf dem Cover einer großen Zeitschrift lese, dass „Foodies die neuen Stilikonen sind“ und in einem mehr als 20-seitigem Special keinen Kollegen aus der Ernährungswissenschaft oder Diätetik, dafür Blogger, Fotografen und Köche auftauchen, läuft da was gehörig falsch.
Das Thema Ernährung ist in den letzten Jahren ein medialer Trend, on- und offline, und wir schwimmen am Rand, anstatt unseren Platz an der Spitze zu behaupten. Wir sind die Experten, die nicht nur blind Trends adaptieren, sondern die Übersicht haben und unterschiedliche Disziplinen miteinander verbinden, wissenschaftlich fundiert und am Puls der Zeit. Ich sehe ganz klar die Herausforderung, in der Sprache und den Inhalten einen Mittelweg zwischen Aufmerksamkeitstreibern wie „Krass, sexy und Bikinibody“ und Schlafbeschleunigern wie „Darmgesundheit“ und „Ballaststoffversorgung“ zu finden. Viele Kollegen sind schon unglaublich aktiv in den Social Media, haben Blogs und suchen den Austausch. Das macht unglaublich Spaß, und ich trage auch mit eigenen Aktivitäten wie Workshops, Vorträgen und Podcasts dazu bei, dass wir sichtbarerer werden, auf eine Art, die zu uns passt.